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Biketest: Scott Genius 700 Premium

Die Scott Genius Spaßmaschine ist seit fast drei Wochen meine und ich hatte schon Gelegenheit, ausführlich zu testen. Die Ausstattung des Scott Genius 700 Premium ist hervorragend, aber das darf man in dieser Preisklasse natürlich erwarten.

Als langjähriger Hardtail- und Racefully-Fahrer war der Umstieg auf ein All-Mountain (AM) für mich ein gewagter Schritt, den ich mir sehr gründlich überlegt habe (hatte eigentlich mit dem Kauf des Spark Premium geliebäugelt). Besonderes Kopfzerbrechen machte mir das Gewicht der Bikes in dieser Kategorie. Aus diesem Grund habe ich viel verglichen und auch ein paar Bikes testweise gefahren, z. B. das Liteville 301 (war lange mein Favorit), das Specialized Camber, BMC Speedfox, aber auch das AMR und Cagua von Ghost sowie das Trigger von Cannondale. Und natürlich das Spark und das Genius von Scott. Habe dann Ausstattung und Gewichte verglichen, Schaltungen, Bremsen, Komponenten, Federelemente und Laufräder gegenüber gestellt. Bei meinem Händler (Sanvit, Eppan) habe ich die Gewichtsangaben aus dem Katalog mit Hilfe einer Waage mit den effektiven Gewichten verglichen.

Einige KO-Kriterien haben bestimmte MTBs von vornherein ausgeschlossen. Erstens war für mich 1x11 keine Option, weil einfach keine alpentaugliche Schaltung. Ebenso setze ich an einem All Mountain zumindest 180 mm Bremsscheiben an Front und Heck voraus. Als "gelernter" Hardtailfahrer wäre die absenkbare Sattelstütze für mich kein Muss, gehört aber irgendwie in die Kategorie AM - wenn schon, denn schon. Und Cannondales Lefty mag ihre Vorzüge haben, aber ich brauche die Möglichkeit, das Vorderrad jederzeit schnell und einfach aus- und einbauen zu können. Letztlich gab es dann noch eine deutliche Präferenz für 27,5 Laufräder und Shimano Schaltelemente.
Scott Genius 700 Premium

Die Argumente, die mich letztlich vom Scott Genius 700 Premium überzeugt haben sind aber folgende: Gewichtsvorteil (Katalog 11,3 Kg, nachgewogen 11,58 Kg ohne Pedale in Größe M) gegenüber den Mitbewerbern bei gleich viel oder mehr Federweg (150 mm hinten und vorne) und teilweise großzügigere Ausstattung, z. B. absenkbare Sattelstütze schon bei Systemgewicht dabei, 100 Prozent XTR-Ausstattung mit Ice-Tech Bremsen 180 mm und unschlagbar benutzerfreundliches und nur bei Scott erhältliches Twin-Lock System, um Gabel und Dämpfer auf 100 mm Hub einzuschränken oder gänzlich zu sperren.

Auch mit den Punkten, wo Scott meines Erachtens gespart hat, will ich nicht hinter dem Berg halten: Der Lenker hat eine Breite von 720 mm, könnte allerdings breiter sein, warum nicht 760 mm? Werde ich vielleicht umrüsten. Die Syncros Pro Schraubgriffe sind Schrott, zu dünn und selbst mit Handschuhen knüppelhart, habe ich zwischenzeitlich mit Richey WCS ersetzt und werde wohl Ergon GE1 oder Syntace Moto montieren. Und die Reifen sind mit 2.25 Breite für ein AM, wohl dem niedrigeren Gewicht zuliebe, etwas knapp dimensioniert. Werde an der Front jedenfalls einen Nobby Nic 2.35 montieren, der 2.25 Rocket Ron am Heck muss mich noch überzeugen. Das war jetzt natürlich Jammern auf allerhöchstem Niveau. Aber das Bessere ist eben der Feind des Guten.

Fahrtest Scott Genius 700 Premium

Nach diesen technischen Betrachtungen, mussten natürlich ausführliche Fahrtests her, um festzustellen, ob das, was die Produktbeschreibung und Ausstattung verspricht, in der Fahrpraxis auch spürbar ist. Deshalb habe ich auf meinen Hometrails im Sarntal und auf ausgewählten Trails im Vinschgau ausführlich getestet. Im Uphill und Downhill.
Gleich gehts abwärts...
Ich komme gleich auf den augenscheinlichsten Unterschied zu meinem alten Racefully oder Hardtail zu sprechen, den Federweg. Dieser fühlt sich zuerst einmal enorm an, das MTB ist wie eine Sänfte und bewegt sich im Gelände geschmeidig wie eine Katze. Diese Geschmeidigkeit nervt schon mal bergauf z. B. auf Asfalt, aber ein Doppelklick mit dem Daumen macht aus dem Genius ein Hardtail mit Starrgabel. Unnachgiebig, konsequent, steif. Und die leichten Laufräder rollen, dass es richtig Laune macht. Auch ein einzelner Klick auf den genialen Twin-Lock Hebel ergibt ein völlig neues Fahrgefühl. Durch die Beschränkung der Dämpfer auf 100 mm Hub hat man plötzlich das Gefühl, auf einem straff abgestimmten Racefully zu sitzen. Perfekt für das Gelände bergauf oder im Flachen. Dieses Ausstattungsmerkmal (Twin-Lock-System) ist einfach genial, ein kleiner Hebel macht aus einem einzelnen Mountainbike drei  unterschiedliche Bikes! Das gibt es so nur von Scott.
Auf dem Sonnenberg Trail
Was fällt noch auf? Die 2x11 Übersetzung liefert mit 36:11 genug Geschwindigkeit für bis zu 40 Km/h, danach gerät man ins Strampeln. Bergauf schafft man mit 26:40 auch steile Rampen, zwar mit etwas mehr Kraftaufwand, dafür benötigt das Vorderrad aber deutlich weniger Körpereinsatz, damit es bleibt, wo es hingehört - auf den Boden. Auch das Gewicht fühlt man nicht wirklich, obwohl das MTB fahrbereit auf gut 12 Kilogramm kommt.
Auf dem Ötzi Trail
Und abwärts? Souverän, verspielt und sicher wie eine Bank. Muss man mit dem Scott Genius überhaupt noch fahren können? Die Antwort ist ja, das Bike verzeiht zwar Fehler und findet wie von selbst seine Spur, aber man wagt sich gerade darum an Trails S3+, wo man vorher wohl eher aus dem Sattel gestiegen wäre.

Fazit: Für mich persönlich ein heißes Eisen (ähm Carbon), ausgereift und einfach supertoll zu fahren. Die Belastung für das Konto ist zwar nicht unerheblich, über die nächsten Jahre verteilt aber sicher eine lohnende Investition in viel Fahrspaß.


Kommentare

  1. Bin auch in der Evaluationsphase. Unsere Kriterien sind teilweise sehr ähnlich. Als Spark-Fahrer schätze ich auch den Twin-Loc-Hebel. Bist Du auch ein neueres Spark im Test gefahren? Was hat schlussendlich den Entscheid für das Genius gegeben?

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  2. Hatte damals auch das Spark ausprobiert, war dann zum Kaufzeitpunkt Ende Juli nicht mehr verfügbar. Hab dann das Genius genommen, weil doch ein wenig mehr Reserven bergab da sind und bergauf das Gewicht noch passt. Das neue Spark ist natürlich eine Rakete und wäre jedenfalls eine gute Wahl.

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